Interview mit Dr. Josef Sachs

vom 24. November 2016


Sind sich die Täter bewusst, was sie machen?

Ja, sind sich der Tat völlig bewusst, empfinden aber nichts. Sie funktionieren in diesem Augenblick wie ein Roboter. Nach der Tat fehlt oft die Erinnerung an die Tat. Einigen Tätern tut es im Nachhinein nicht leid (das trifft bei den Tätern zu, die lange für die Tat geplant haben.)


Wie finden sich 2 Täter?

Es sind Kollegen. Es beginnt mit Gedankenspielen von den beiden. Aus Spass wird Ernst!!!

Tausendmal schaut der Wille durchs Fenster bevor die Tat durchs Tor schreitet.



Sind die meisten Täter Einzelkinder oder haben sie Geschwister?

Da gibt es kein Muster. Spielt keine Rolle.


Wie lange dauert es vom ersten Gedanken bis zur Tat?

Sehr unterschiedlich. Immer mehrere Monate (manchmal auch Jahre).


Wie fühlen sich die Eltern?

Katastrophal.

viel Durcheinander, können es kaum glauben. Denken, dass jemand ihr Kind zu dieser Tat "angetrieben" hat. Sie haben auch Schuldgefühle, weil sie es nicht gemerkt haben, wie schlecht es ihrem Kind ging.

Schämen sich extrem - ziehen früher oder später weg.


Spielt es eine Rolle, wen der Täter erschiesst?

Ja und Nein. Einige Täter haben eine Schwarze Liste geschrieben, auf denen die Opfer notiert sind. Andere wollen ziellos möglichst grossen Schaden anrichten.

Alle Täter informieren sich aber vorher darüber, wer wo in die Schule geht und wer sich wo aufhält und wo eine solche Tat am besten "funktioniert".


Sieht man Risse in der Fassade des Täters?

Man merkt die abgelöschte Seite der Person, ist ein Einzelgänger, er macht Bemerkungen über die Tat. Diese Menschen haben "nichts mehr zu verlieren, man sollte alle ausradieren".

LEAKING: Vor der Tat macht der Täter auf seine Tat aufmerksam (Bsp. ich würde verstehen, wenn hier mal jemand losballert.)


Spielen Drogen und Alkohol eine Rolle?

Manchmal, aber nicht immer. Wer nur Drogen nimmt macht keine solche Tat, es muss kombiniert sein mit anderen Problemen.


Haben die Mörder Schuldgefühle?

Das ist immer unterschiedlich! Viele finden, dass sie im Recht sind und nichts falsch gemacht haben. Andere haben nachher auch Schuldgefühle. 25% der Täter kann keine Antwort mehr auf diese Frage geben, weil sie sich selber das Leben genommen haben.


Versucht ein Täter alle Schüler umzubringen oder nur die Personen, die er will?

Ja, er versucht möglichst alle umzubringen, schafft es aber nicht.


Warum funktioniert das Leaking nicht (warum merkt das Umfeld nicht, dass eine solche Tat bevorsteht)?

Jede geplante Tat ist wie ein grosses Puzzle. Kein Mensch sieht alle Teile. Jeder hat nur ein Teil und diese Teile reichen nicht aus, weil sie klein sind. Ausserdem ist es schwierig zu merken, was Spass und was Ernst ist.


Kommt die Einsicht während des Mordens?

Nein, der Täter spürt nur noch der Hass, die Wut, die sich aufgestaut hat, treibt ihn an. Der Täter bewegt sich wie im "Traum" (Schlafwandler). Spürt nichts mehr. Funktioniert nur noch wie ein Roboter. "Tunnelblick".


Was passiert im seelischen Bereich und im Gehirn, wenn man so etwas macht?

Totaler Adrenalinschub, keine Angst, ausgeschaltetes Denken.


Wie hält man eine solche Tat geheim?

Bereits vor der Tat bestand ein Bezug zu Waffen. Waffen zu 75% der Täter aus dem nahen Umfeld (Eltern, Schiessverein…)


Begehen solche Taten auch beliebte Leute?

Weniger. 2 Jungs (Columbine Attentat) waren bei den Erwachsenen sehr beliebt, weniger bei den Gleichaltrigen. Alle Amoktäter haben grundsätzlich ein ähnliches Problem: Sie werden nicht gesehen.


Warum gibt es nicht mehr Tote?

Die Täter würden gerne mehr Menschen umbringen, können es aber nicht.

Viele können fliehen und die Polizei ist schnell vor Ort. Die Täter bräuchten zudem viel Munition. Amokläufer verfügen über keine oder nur wenig Erfahrung im Töten.


Entsteht ein Amoklauf aus nur einem oder mehreren Problemen?

Er entsteht immer aus mehreren Problemen. Meistens aus Problemen in der Schule (Mobbing) aber auch Probleme von zu Hause.


Welche Emotionen hat der Täter während der Tat?

Wenn er schiesst, sieht er nur noch das Ziel und hat keine Angst. Seine Emotionen sind aggressiv und wütend. Er spürt keine Gefühle. Die Täter sind nicht nervöser als wir vor einem Test in der Schule.


Warum ist ein School Shooting noch nicht der Schweiz passiert?

Das Schulsystem unterscheidet sich von dem anderer Länder. Hier haben wir einen recht guten Zusammenhalt. Die Schulen sind eher klein. Daher kennt man sich und weiss, wie es den einzelnen Schülern geht. In einer kleinen Schule spielt auch die Sozialkontrolle (aufeinander achten). Der Schulerfolg ist in der Schweiz weniger wichtig als in den USA oder China. Das vermindert den Stress. Negative Schulerlebnisse wirken sich also weniger auf den Schüler und sein Leben aus. Die Schüler in der Schweiz kennen sich aus der Klasse. In den USA ist jeder Schüler in den einzelnen Fächer nach seinem Niveau eingeteilt. Eine Klasse wie bei uns, gibt es nicht.