Nach 15 Jahren

Aargauer Zeitung vom Dienstag, 28.5.2019, Text & Bilder von Markus Christen


15 Jahre nach seiner Einstellung als Theaterleiter, verlässt Manfred Stenz die Schule Seon. Er sagt, er brauche wieder etwas mehr Zeit für sich selbst.

Manfred Stenz geht als Stückeautor und Theaterleiter nicht den Weg des geringsten Widerstands. Bereits vor zehn Jahren hatte sich der Lehrer und Theaterpädagoge zusammen mit den Seener Oberstufenschülerinnen und -schülern des Freifachs «Darstellendes Spiel» eines kontroversen Themas angenommen. Das Stück «Schnulleralarm», inspiriert von einer Nachrichtenmeldung über 17 schwangere Schülerinnen an einer amerikanischen High-School, befasste sich mit dem gesellschaftlich tabuisierten Phänomen der Teenager-Schwangerschaften.

Vor zwei Jahren sorgten Manfred Stenz und seine Seener Theatergruppe für viel Aufsehen, als sie in einer beklemmenden Aufführung einen fiktiven Amoklauf an einer Schule inszenierten und aus verschiedenen Perspektiven den Umgang mit einer solchen Schreckenstat und deren Nachwirkungen dramaturgisch untersuchten.

 

Gesamtes Lehrerkollegium nervös

Der in Menziken wohnhafte Manfred Stenz verlangt von seinen Schülerinnen und Schülern bei jeder Produktion grossen, pflichtbewussten Einsatz. Schon bei der Ausarbeitung der Theaterstücke ist ihr Engagement gefragt. Sie entwickeln die Figuren, die sie auf der Bühne spielen, oft selbst. Ebenfalls setzen sich die Schüler mit der Thematik des Bühnenstoffes weitergehend auseinander, empfangen Fachexperten oder vertiefen sich in themenbezogene Lektüre.

 

Aber auch die Schule Seon blickt jeweils gespannt auf die neueste Inszenierung des Schultheaters. So sei, erinnert sich Oberstufenschulleiter André Hunziker, im Vorfeld der Aufführungen von «I don’t like mondays», dem Stück mit dem fiktiven Amoklauf, die Nervosität im gesamten Lehrerkollegium spürbar gewesen. «Gleichzeitig», so Hunziker, «habe sich das Schultheater über die Jahre zu einer Art Alleinstellungsmerkmal der Schule Seon entwickelt.» Wobei es Manfred Stenz immer wieder von Neuem gelingen würde, die Schüler zu Höchstleistungen anzuspornen.

 

Nun, 15 Jahre nach seiner Einstellung als Theaterleiter, verlässt Manfred Stenz die Schule Seon. Er sagt, er brauche wieder etwas mehr Zeit für sich selbst. «Während 15 Jahren hatte ich keine Weihnachts- und Sportferien mehr, war ich immer am Schreiben eines Stücks. Kreativ zu sein, ist eine grosse Herausforderung und Anstrengung und beruht auf einem Geben und Nehmen. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, mich wieder etwas um mich selbst zu kümmern.»

Stenz, der ebenfalls die Theatergruppe der Schule Reinach leitet und in Reinach auch als Geschichts-, Geographie- und Informatiklehrer tätig ist, hat seine Ausbildung zum Theaterpädagogen in Stuttgart absolviert. «Ich war bereits 27 Jahre alt und in der Schweiz konnte man die Ausbildung in meinem Alter nicht mehr machen, so bin ich während zweier Jahre zwischen Deutschland und der Schweiz hin und her gependelt.» 2004 gelangte Manfred Stenz an die Schule Seon. Seither sind in der Halle 5 fünfzehn Theaterstücke entstanden und aufgeführt worden, die mit viel Applaus belohnt wurden.

 

Veränderter Stellenwert

Geändert hat sich in den vergangenen Jahren die Bedeutung des Schultheaters. Nicht unbedingt in Seon, aber im Allgemeinen. «Vor 15 Jahren feierte die Theaterpädagogik Hochkonjunktur. Inzwischen verlagert sich der dramaturgische Unterricht wieder zurück in die einzelnen Klassen», meint Stenz. Das sei nicht grundsätzlich negativ, aber es verändere den Umgang mit Theater eben schon. Für ihn erfüllt das Schultheater im besten Fall zwei Aufgaben. «Die Kinder lernen, dass das Miteinander wichtiger ist als das Gegeneinander. Und sie erfahren, was Verbindlichkeit heisst.» Einen Theatertext zu memorieren, bedeute nämlich etwas anderes, als französische Vokabeln zu lernen. «Wenn beim Schultheater der Einzelne nicht mit vollem Einsatz dabei ist, dann funktioniert das Ganze nicht.»

 

Schultheater macht Pause

Das Schultheater macht an der Schule Seon nun erst einmal für ein Jahr Pause. «Aber im darauffolgenden Jahr soll der Kurs wieder ausgeschrieben werden», so André Hunziker.

Manfred Stenz setzt derweil eine Übung aus der Theaterimprovisation wörtlich um: «Routine-Brechen». Es sei Zeit geworden, sagt er, bekannte Muster und Strukturen zu verlassen, um Hände für Neues frei zu haben.